„Indian Summer“ in der Mecklenburgischen Seenplatte
Der Müritz-Nationalpark ist eine Welt für sich: Glitzernde Wasserflächen auf kleinen, verwunschenen Waldseen, sanfte Hügel, geheimnisvolle Moore und hallenartige Buchen. Unsere Reisebloggerin Anja war wieder einmal in unserem schönen Bundesland unterwegs und zeigt euch, wie man mit Hund auf Wasser schippert und sich in den labyrinthartigen Flussläufen der unberührten Landschaft verirrt.
Es ist fast so etwas wie der Traum eines jeden gestressten Städters: Im Auto gen Norden zu fahren und die Stadt hinter sich zu lassen. Raus aus der Berlin und der Hektik der Stadt. Im Gepäck hatte ich neben meiner Freundin Sandy ihren Boxer Kurt. Kurt ist ein waschechter Berliner und damit bestens vertraut mit lärmenden Autos, stinkigen Hinterhöfen und vollgemüllten Parks. Etwas missmutig lockten wir ihn Samstagmorgens ins Auto, wohl ahnend, dass er eine längere Autofahrt vor sich hatte. Griesgrämig schaute er uns an, schüttelte seinen Kopf und vergrub sich für den Rest der Autofahrt auf dem Rücksitz. Autofahrten gehören definitiv nicht zu seinen Lieblingsunternehmungen. Lieber tollt er im Wald herum und fängt seinen alten gelben Ball, den er liebevoll überall mithin schleppt als sei es ein Schnuffeltuch.
Als wir schließlich nach rund zwei Stunden in Wesenberg am Tor der Müritz ankamen und die Autotür aufmachten, sprang Kurt mit einem Satz aus dem Wagen. Vor Freude hopste und suhlte er sich am Boden, versuchte Fliegen zu fangen und roch an Blumen als würde er sie zum ersten Mal sehen. So sieht high on nature aus, während ich an ein paar bekiffte Freunde in Berlin dachte, die gerade ihren Rausch von letzter Nacht ausschlafen..
Ich beobachtete Kurt und hätte es ihm gerne gleich getan. Stattdessen stand ich nur still da und atmete die klare Luft ein. Wir befanden uns in der Mecklenburgischen Seenplatte, die uns keine zwei Stunden Autofahrt von Berlin entfernt in eine ganz andere Welt entführte. Das saftige Grün der knorrigen Bäume tat meinen Augen gut und ich hatte das Gefühl, zum ersten Mal seit langem wieder meinen Kopf frei zu kriegen.
Der Müritz-Nationalpark ist einmalig auf der Welt und fast noch gänzlich unberührt von Menschenhand. Ursprüngliche Wälder, Seen und Moore lassen erahnen, wie es vor der Rodung von ganzen Landstrichen und Nutzflächenbebauung einst in Deutschland ausgesehen haben könnte. Während der 322 km² große Nationalpark im Westen bis an die Müritz heranreicht, lockt er seine Besucher im östlichen Teil in die Tiefe der alten Buchenwälder des UNESCO-Weltnaturerbes bei Serrahn.
Kanu-Ausflug zur Schwaanhavel
Da sich diese Vielfalt am besten auf einer Kanutour erkunden lässt, liehen wir uns in der Kanu-Mühle in Wesenberg ein Kanu aus. Dort drückte uns die nette Dame am Empfang neben vielen Ausflugstipps auch einen wasserdichten Packbehälter für das Tourengepäck sowie eine Wasserwanderkarte in die Hände. Nach einer kurzen Einweisung setzten wir uns ins Boot und versuchten Kurt davon zu überzeugen, dass er es im Kanu nicht nur sicher sondern auch sehr gemütlich hat.
Viel Platz, einige Knabbereien und eine gemütliche Matte warteten auf ihn. Allerdings war er anderer Meinung und alles süße Bitten, zärtliches Liebkosen und Kommandos halfen nichts: Kurt hielt nichts vom Kanufahren und schweren Herzens ließen wir ihn zurück am Ufer, um die Landschaft vom Kanu aus zu erkunden.
Wir fuhren über die Havel zur Schleuse Wesenberg und brauchten für die ersten paar Meter länger als gedacht. Wir zwei Großstadtmädels brachten es einfach nicht auf die Reihe, geradeaus zu fahren. Im Zick-Zack-Kurs ging es von einer Uferseite zur anderen und nicht wenige vorbeifahrende Kanuten sahen sich genötigt, uns väterlichen Rat zu geben, wie wir unsere Paddel zu halten hätten. Das Wasserportvölkchen hält zusammen.
Direkt hinter der Schleuse bogen wir in die Schwaanhavel ein, einem kleinen Flüsschen mit verwunschenen Erlenbruchwäldern und saftig grünen Moosen und Wiesen an den Ufern, die so urig wild wuchsen, dass ich mich an den Amazonas erinnert fühlte. Baumstämme lagen im Wasser, Schilf wuchs über das gesamte Gebiet und immer wieder mussten wir Zweigen ausweichen.
Der Fluss und auch der angrenzende Plätlinsee ist für Motorboote gesperrt, da die Schwaanhavel an manchen Stellen so eng zusammenschrumpft, dass wir teilweise unser Kanu ziehen mussten.
Kanu-Mühle
Ahrensberger Weg 1, Havelmühle
172255 Wesenberg
http://www.kanu-muehle.de/
Floßtour auf der Seenplatte
Die gesamte Region der Mecklenburgischen Seenplatte eignet sich hervorragend für Fahrrad- und Kanutouren, doch gerade auf einer Floßtour erleben Besucher eine unvergessliche Zeit, zum Beispiel am Stechlinsee oder in Mirow und Rheinsberg mit ihren charmanten Schlössern.
Ich hätte wirklich gerne auf einem Floß, das über alle Annehmlichkeiten eines normalen Hausbootes verfügte, übernachtet und eigentlich gehört der September schon zur Nachsaison, doch gerade Angler und Ruhesuchende folgten letztes Wochenende dem Ruf der Natur und alle Hausboote waren ausgebucht. Höchste Zeit, endlich einmal etwas Struktur in mein Leben zu bringen und langfristig Pläne zu machen anstatt bis zum letzten Drücker zu warten, in der Hoffnung eine noch bessere Gelegenheit würde sich auftun.
So half alles Recherchieren einen Tag vor Abfahrt nichts, wir mussten letzten Endes in einer Ferienwohnung übernachten. Glücklicherweise kamen Sonntagmorgen einige Angler von ihren Touren zurück und machten sich auf den Heimweg. Für uns ein idealer Zeitpunkt, den Canower See per Floß zu erkunden und gemütlich die Seenplatte entlang zu schippern.
Wir genossen die wärmende Herbstsonne inklusive Abenteuerfeeling und gemütliches Schaukeln – Entschleunigung auf einem ganz neuem Niveau sozusagen.
Dieses Mal beehrte uns auch Kurt mit seiner charmanten Begleitung. Seine Wasserscheu vom Vortag schien vergessen und genüsslich lag er auf dem Deck und ließ sich die Ohren vom Fahrtwind kraulen.
Da die Flöße nur mit einem acht PS Motor angetrieben werden, sind sie Bootsführerscheinfrei und auch für Laien einfach zu steuern.
Tante Polly Floßtouren
Canower Allee 35
17255 Wustrow
www.tantepolly.de
Dschungelfieber im Müritz-Nationalpark
Natürlich durfte bei unserem Abstecher in die Natur auch die nördliche Region der Mecklenburgischen Seenplatte nicht fehlen. Im Müritz-Nationalpark erwartete uns der zuständige Ranger Daniel Kowalt und erzählte uns von seinen Aufgaben als Schutzgebietsbetreuer, der Einzigartigkeit der Natur und der langen Geschichte des Nationalparks.
Daniel ist ein kerniger Naturbursche, Ende dreißig und kommt ursprünglich aus dem Spreewald. Er erzählte, wie er nach ein paar Jahren in einem Bürojob die Natur vermisste, seinen Job kündigte und jetzt seiner wahren Berufung nachgeht. Dabei strahlte er eine ruhige Zufriedenheit aus, die vielen Menschen eigen ist, die ihren ureigenen Weg gefunden haben. Wieder einmal schmiss ich alle Karrierepläne über den Haufen und fing über einen alten, lang gehegten Traum nachzudenken, der abwechselnd eine Surfschule oder Meeresbiologie beinhaltete. Wen man sich nur entscheiden könnte, seufzte ich theatralisch.
Daniels leise Stimme brachte mich aus meinen Träumereien zurück in die Wirklichkeit. Er erzählte gerade, wie er in Greifswald Landschaftsökologie und Naturschutz unter Michael Succow studiert hatte und fragte mich, ob ich diesen Mann kennen würde. Ich verneinte beschämt. Michael Succow sei so etwas wie der „Wanderprediger für den Naturschutz“ und war maßgeblich am Nationalpark-Programm der DDR beteiligt, das sieben Prozent der Fläche der DDR als Nationalpark und Biosphärenreservat unter strengen Naturschutz stellte. Allein vier Prozent entfielen dabei auf das heutige Mecklenburg-Vorpommern. Somit würde der Müritz Nationalpark dieses Jahr sein 25. Jubiläum feiern.
Besonders Ornithologen erleben in der Müritz ihr Paradies auf Erden, haben in dem Gebiet doch viele See- und Fischadler ihr Einstandgebiet und können von den zahlreichen Aussichtskanzeln aus beobachtet werden. Die Biodiversität der Tier- und Pflanzenarten sei mit über fünfzig Säugetierarten und mehr als einhundert Moosarten enorm, erzählte uns Daniel und sein Lachen strahlte über das gesamte Gesicht.
Müritz Nationalpark
Schwarzenhof 15
17192 Kargow
http://www.mueritz-nationalpark.de